21.07.2008

Wollte Grupo Modelo etwa Anheuser-Busch vor InBev retten?

Wenn die Gerüchte stimmen, die vergangene Woche in den USA die Runde machten, wollte Grupo Modelo, entgegen aller Beteuerungen, sein restliches Aktienpaket doch an Anheuser-Busch verkaufen und InBev´s Pläne hintertreiben.

Am vergangenen Montag war die Tinte unter dem USD 52 Milliarden-Verkaufsvertrag zwischen Anheuser-Busch und InBev noch nicht getrocknet, da verkündete der mexikanische Brauer Grupo Modelo (Corona Extra) quasi im Nachtrag zu diesem Deal, man habe das Recht, sich seinen Partner auszusuchen.

Die Fachwelt staunte und wunderte sich. Wieso behauptet Grupo Modelo, man habe hierbei ein Mitspracherecht?

Dazu muss man wissen, dass Anheuser-Busch zwar die Aktienmehrheit an Grupo Modelo (50,2 Prozent) besaß, nicht jedoch die Stimmenmehrheit im Board. Außerdem war Grupo Modelo im Übernahmekampf von Anheuser-Busch das Zünglein an der Waage. Hätte Grupo Modelo das restliche Aktienpaket (49,8 Prozent) an Anheuser-Busch verkauft, wäre der amerikanische Großbrauer dadurch so teuer geworden, dass InBev große Mühe gehabt hätte, Anheuser-Busch doch noch zu schlucken.

Aus diesem Grund richtete Carlos Brito, der CEO von InBev, in den vergangenen Wochen mehrfach die Warnung an Grupo Modelo´s Chef, Carlos Fernandez, er solle ja nicht mit Anheuser-Busch in Verkaufsverhandlungen treten. Wenn Grupo Modelo verkaufen wolle, dann solle das unabhängig vom Deal mit Anheuser-Busch geschehen.

Carlos Fernandez, der jugendliche CEO von Grupo Modelo beteuerte stets, Grupo Modelo „sei mexikanisch und werde mexikanisch bleiben“ – eine Behauptung, die angesichts der tatsächlichen Besitzverhältnisse recht dreist war.

Nun aber hat das Wall Street Journal vergangene Woche herausgefunden, dass August Busch IV, der CEO von Anheuser-Busch, und Carlos Fernandez noch Anfang Juli 2008 kurz davor standen, einen Verkauf der in mexikanischer Hand verbliebenen Aktien abzuschließen.

Wer diesen Verkauf letztendlich verhindert hat, werden wir vielleicht nie erfahren. Waren es die mächtigen Aktionäre von Anheuser-Busch, die endlich Geld sehen wollten und August Busch IV unter Druck setzten: „Eh August, vermassel bloß nicht diesen Deal mit InBev!“ Oder war Carlos Fernandez einfach zu gierig und knüpfte zu viele Bedingungen an den Verkauf?

Wie dem auch sei, weder Anheuser-Busch noch Grupo Modelo haben dementiert, dass Verkaufsverhandlungen stattgefunden haben.

Wohl um darüber hinwegzutäuschen, dass es unter den mexikanischen Aktionären von Grupo Modelo anscheinend doch einige verkaufswillige gibt, wurde am Mittwoch, 16. Juli 2008 aus dem Umkreis von Valentin Diez, dem Hauptaktionär von Grupo Modelo, eine Begebenheit dem Wall Street Journal zugespielt, die erklären sollte, warum Grupo Modelo niemals an Anheuser-Busch verkauft hätte.

Die Geschichte dürfte wohl in die Brau-Annalen als „Der Fisch, der von der Angel sprang“ eingehen. Sie handelt von einem Angelausflug vor der Küste Mexikos Anfang der 90er Jahre, an dem die Aktionäre von Grupo Modelo und August Busch III, der damalige Chef von Anheuser-Busch teilnahmen. Initiiert hatte den Trip August Busch III, um die „atmosphärischen Störungen“ zwischen den Mexikanern und den Amerikanern zu beseitigen. Wahrscheinlich hoffte August Busch III auf diese Weise schneller bei Grupo Modelo zum Ziel zu kommen.

Der Trip sollte einige Tage dauern. Doch als August Busch III einen riesigen Speerfisch an der Angel hatte, bekam er einen Anruf, er müsse sofort wieder nach Hause reisen. Es ging angeblich um wichtige Geschäfte. Also reichte Busch sen. die Angel weiter an den überraschten Valentin Diez, sagte dem, er solle sich beeilen, den Fisch an Bord zu bringen, denn er müsse zurück an Land.

Wie man sich vorstellen kann, fühlten sich die Grupo Modelo-Aktionäre, viele wahrscheinlich wohlhabender als August Busch III, in höchstem Maße brüskiert. Hatte nicht August Busch sie eingeladen? Wollte nicht August Busch was von ihnen? Nämlich ihre Aktien Und jetzt behandelt er sie wie seine Lakaien?

Übrigens konnte Valentin Diez den Fisch nicht an der Angel halten. Der Fisch verschwand nach einer halben Stunde wieder in den Tiefen des Pazifiks.

Die Geschichte, die erklären soll, warum Grupo Modelo niemals zu 100 Prozent Anheuser-Busch gehören würde, ist natürlich nur eine geschickt lancierte Ablenkungsmaßnahme. Denn wie man es auch dreht und wendet, Carlos Fernandez befindet sich seit einer Woche in einer höchst prekäre Lage. Er steht nun vor aller Welt - und vor allem vor Carlos Brito – als Lügner dar, oder zumindest mit heruntergelassenen Hosen.

Nun weiß alle Welt: Grupo Modelo, ein Braukonzern im Wert von über USD 20 Milliarden mit sieben Brauereien in Mexiko und einer Produktionskapazität von 60 Millionen hl Bier, ist verkaufsbereit.

Das schwächt die Verhandlungsposition von Carlos Fernandez gegenüber InBev ungemein. Zweifellos möchte InBev, wie Anheuser-Busch, den Rest der Grupo Modelo Aktien übernehmen. Und zwar schnell. Es kann nicht im Sinne von InBev sein, sich mit – sagen wir es deutlich – renitenten mexikanischen Vorständen herumzuplagen, die meinen, sie könnten ihre Geschäfte nach Altherrenart weiterführen.

Man hat Grupo Modelo jahrelang vorgeworfen, nicht so effizient geführt zu werden wie andere lateinamerikanische Braukonzerne, die sich längst den Benchmarks von AmBev (dem brasilianischen Teil von InBev) angepasst hätten.

Dabei hat Carlos Fernandez, wie Insider wissen, vor einigen Jahren „die Brasilianer“ in sein Unternehmen hineingebracht. „Die Brasilianer“ ist der Spitzname für die rabiaten Kostenreduzierer, die auch bei InBev am Ruder sind. Mit ihrer Hilfe hat Carlos Fernandez die Kosten reduziert, das Unternehmen restrukturiert und den Bruch mit der Vergangenheit vollzogen, ohne viel Getöse zu machen.

Damit hat er sich als Jünger der reinen InBev-Lehre zu erkennen gegeben. Ob es für Carlos Fernandez allerdings reicht, sich damit bei Carlos Brito einzuschmeicheln und eine Position im operativen Geschäft zu bekommen, - dann, wenn InBev bei Grupo Modelo das alleinige Sagen hat – abwarten. Mit Unterlegenen verfährt Carlos Brito mitleidslos. So hat Carlos Brito vergangene Woche August Busch IV eiskalt entmachtet. Der ehemalige Chef von Anheuser-Busch bekommt zwar einen Sitz im Board des neuen Weltmarktführers Anheuser-Busch InBev – allerdings ohne Managementaufgaben.

Um es zu wiederholen: Wenn die Gerüchte von vergangener Woche wahr sind, dass Grupo Modelo verkaufsbereit war, dann ist die Spekulation, dass InBev bei Grupo Modelo zum Zuge kommt, so wahrscheinlich wie das Amen in der Kirche.

InBev hat bei Grupo Modelo das Vorkaufsrecht. Das hat Carlos Brito von Anheuser-Busch geerbt. Wen auch immer Carlos Fernandez für seine 49,8 Prozent als potentiellen Käufer ins Spiel bringt: Carlos Brito braucht seinem Namensvetter bei Grupo Modelo nur den gleichen Preis zu bieten und er erhält automatisch den Zuschlag.

So oder so – Carlos Brito kann es erwarten, dass ihm Grupo Modelo irgendwann in den Schoß fällt.

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