18.03.2024

Giganten der Biergeschichte: Mautner Markhof

Starker Konkurrent | Für diese Folge begeben wir uns wieder nach Wien. Dort gab es im 19. Jahrhundert nicht nur das Schwechater Bier Anton Drehers (siehe Teil 8 dieser Reihe in BRAUWELT 50, 2021, S. 1298–1301). Auch wenn die Schwechater Brauerei die größte weit und breit war, es gab dennoch Wettbe­werb. Und der Mann, den man am ehesten als Konkurrent bezeichnen könnte, war im heutigen Tschechien als Sohn eines jüdischen Branntweinbrenners zur Welt gekommen: Adolf Ignaz Mautner Ritter von Markhof.

In den folgenden 200 Jahren entstand, ausgehend vom genialen Gründervater und dessen sehr großer Familie, ein Feinkostkonzern, der weit über das Bier hinausging.

Auch wenn man in Österreich bei diesem Namen heute meist zuerst an Senf oder Essig denkt, der Aufstieg der Familie Mautner Markhof bis in den k.u.k.-Adel begann einst mit Bier.

Das böhmische Smiřice (deutsch Smirschitz), im heutigen nördlichen Tschechien im Bezirk Königgrätz gelegen, entstand an der Elbe, die zur Zeit der Ortsgründung aus drei großen Flussarmen bestand. Umgeben von zwei Flussarmen befand sich eine mittelalterliche Veste, die 1392 erstmals erwähnt und im 15. Jahrhundert zum Schloss umgebaut worden ist. 1747 ging der Besitz durch die Ehe zwischen Maria Theresia von Sternberg mit Johann Leopold von Paar an die Fürsten von Paar über.

Nach ihrem Tod im Jahre 1761 übernahm ihr Sohn, der k.+k. Erblandpostmeister Johann Wenzel Fürst von Paar, den Besitz. Dieser verkaufte ihn 1780 für 500 000 Gulden an Kaiser Joseph II. In diesem Kronbesitz des Kaisers, als dessen Untertan, erblickte Abraham Isaak Mautner (so sein Geburtsname) am 26. Dezember 1801 das Licht der Welt.

Porträt von Adolf Ignaz Mautner (1801–1888) (Quelle: https://www.dynastiemautnermarkhof.com/de/)

Sein Vater Israel, wie auch weitere Vorfahren, war Pächter des Smiřicer Branntweinhauses, mit gelegentlichen Ausflügen zum Bierbrauen. Der Sohn sollte wohl in die Fußstapfen des Vaters treten, denn schon früh bewies er technisches Geschick und Pragmatismus beim Problemlösen.
Die Gesellschaft war nicht sonderlich freundlich zu ihren jüdischen Mitbürgern, weder unter Maria Theresia noch danach. Sie waren auf die Toleranz ihrer Landesherren angewiesen.

Abraham Isaak ging erst recht spät auf die traditionelle Walz, mit 30 Jahren, nach dem Tod seines Vaters und nach seiner Vermählung mit der elf Jahre jüngeren Julie. Es sollte eine lange und kinderreiche Ehe werden. Die Walz führte ihn im Kaiserreich herum, er arbeitete in Ungarn und der Slowakei und vermied im Gegensatz zu Anton Dreher weitere Reisen nach Deutschland oder gar England.

Nach Wien gekommen, um zu ­bleiben

Auf das Jahr 1839 lässt sich sein erster Besuch in Wien datieren. Er kam, um zu bleiben. Irgendwie lernte er den Bürgermeister Ignaz Czapka kennen. Die beiden wurden Freunde. Czapka vermittelte ihm zu günstigen Konditionen die Brauerei St. Marx. Abraham Isaak Mautner kam durchaus nicht als Bittsteller mit leeren Händen. Mit kolportierten 65 000 Gulden, die er aus der alten Heimat mitgebracht hatte, war er bereits recht vermögend.

Sechzehn Jahre lang betrieb er die gepachtete Brauerei, bevor er den großen Schritt machte: Per Kaufvertrag vom 1. Oktober 1857 erwarb Mautner die Brauerei St. Marx, nebst Braugerechtigkeit, Wirtshaus mit Schankerlaubnis, Backhaus mit Backerlaubnis (damals trennte man offenbar beides noch), einer Schmiede, einem Versorgungshaus, Gärten und Äcker. Der Preis, den der bisherige Pächter zahlte, war 275 000 Gulden.

Ein stolzer Preis, vor allem, wenn man bedenkt, dass der Käufer ihn durch seine gute Arbeit selbst in die Höhe getrieben hatte. Die altehrwürdige Brauerei war 1683 von den Türken zerstört worden und seither nicht mehr richtig in die Gänge gekommen.

Seit Mautner jedoch 1841 die heruntergekommene Brauerei übernommen hatte, waren Bierqualität und wirtschaftlicher Erfolg Hand in Hand nach oben gegangen. Den gesunkenen Ruf der Brauerei hatte er mit seinem „St. Marxer Abzugsbier“ wieder aufgebaut und sich sogar in die erste Reihe der Konkurrenten der weit vorne liegenden Dreher-Brauerei in Schwechat gespielt.

Neue Religion

Zwischen Beginn der Pacht und Kauf lag jedoch eine wichtige, private Entscheidung: Im Jahr 1846 konvertierte er zum Christentum und ließ sich katholisch taufen. Aus Abraham Isaak wurde Adolf Ignaz. Auch seine Frau und die damals bereits neun Kinder wurden katholisch. Aus den Aufzeichnungen der Zeit geht hervor, dass er diesen Schritt aus persönlicher Überzeugung machte und nicht aus wie auch immer geartetem Opportunismus oder dem Wunsch, antisemitischen Drangsalierungen zu entgehen. Die Familienchronik beschreibt es so: „Aus aufrichtiger Überzeugung tauscht er den rächenden Gott des Alten Testaments gegen den liebenden des Neuen.“ Bürgermeister Ignaz Czapka war Taufpate und steuerte den zweiten neuen Vornamen bei. Die ganze Zeremonie lief öffentlichkeitswirksam ab, so dass die Chronik weiter notiert: „Adolf Ignaz verlässt die Welt des Judentums nicht still und heimlich, sondern demonstrativ und in aller Öffentlichkeit. Nie wird er seine religiösen Wurzeln verleugnen. Ganz im Gegenteil: Jüdische Organisationen, die ihn auch nach der Taufe um Hilfe und Unterstützung bitten, erhalten stets, was sie benötigen.“

Neue Technik und neues Bier ­brachten Erfolg

Wenden wir uns wieder dem Brauereigeschäft zu: Adolf Ignaz, wie er nun hieß, war ein findiger Techniker und Brauer. Schnell hatte er die wichtigsten Problemfelder der Brauerei ausgemacht: Schlechte oder keine Kühlung waren für den schlechten Geschmack vieler Biere der Hauptgrund. Und obwohl die Mikrobiologie noch in den Kinderschuhen steckte, erkannte er intuitiv, dass alte Holzbottiche einen Infektionsherd darstellen konnten. Also tüftelte er an neuen Kühlmöglichkeiten.

Bereits 1843 begann er mit der untergärigen Bierproduktion, indem er Kühlkonstruktionen erdachte, mit Rohren und Schwimmern für Eis, so dass er ganzjährig Bier liefern konnte. Sein „St. Marxer Abzugsbier“ hieß so, weil er recht schnell das Bier aus den Gärbottichen in große Lagerfässer „abziehen“ ließ, wo die Nachgärung erfolgte. Er lieferte also, im Gegensatz zur damals üblichen Praxis, wo die Wirte das Bier in ihren Kellern fertigstellten, nur fertiges, trinkfertiges und weitgehend hefefreies Bier aus. Und kalt dazu.

Das waren die Bedingungen für den großen Erfolg, der der St. Marxer Brauerei in den nächsten Jahren beschieden war. Besonders, wenn man die Klagen der damaligen Zeit über das angeblich extrem schlechte, quasi ungenießbare Wiener Bier nachliest, kann man ermessen, was die Biere der beiden Herren Dreher und Mautner für einen unglaublichen Unterschied zur Norm der Zeit darstellten.

Genau wie Dreher war Mautner technisch auf der Höhe der Zeit. Es entspann sich sogar eine Art Wettbewerb, wer neue Erfindungen zuerst implementierte – wobei die Brauer in Österreich dabei langsamer waren als andere Branchen.

Pavillon der Brauerei Sankt Marx bei der Weltausstellung in Wien 1873 (Quelle: unbekannter Fotograf, public domain, via Wikimedia Commons)

1845 erwarb Adolf Ignaz Mautner die erste Dampfmaschine für eine Brauerei in Österreich. Ein kleines Modell, das zur Wasserversorgung, zum Malzputzen und zum Schroten verwendet wurde. Weiters ließ er von der Donau her eine eigene Wasserleitung zur Brauerei hinführen. 1858 ließ er neue, verbesserte Eisgruben bauen, eine Maßnahme, die die Kühlverhältnisse in den Lagerkellern enorm verbesserte.

Der clevere Geschäftsmann ließ sich originelle Ideen gerne sofort patentieren, so auch den „Normal-Bierlagerkeller System Mautner“. Allerdings erlaubte er anderen Brauern großzügig die Nutzung seiner Ideen. 1872 besaß die Brauerei bereits zwölf Dampfmaschinen zu je 30 PS, das waren mehr als in Drehers Brauerei. 1886 erschien zur Kühlung von Würze und Gärkeller die erste Linde-Kältemaschine in St. Marx – hier war Dreher früher dran gewesen – und 1888 bereits die zweite, zur Lagerkellerkühlung.

Als Adolf Ignaz Mautner 1876 mit 75 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand ging, hatte er nicht nur Anton Dreher Senior bereits um 13 Jahre überlebt, sondern den Ausstoß seiner Brauerei von 36 000 hl zu Beginn seiner Tätigkeit auf über 300 000 hl gesteigert. Nur die Schwechater brauten in Österreich noch mehr Bier.

Eine geniale Erfindung mehr

Aus der Zahl der vielen Erfindungen und Neuerungen ragt eine Sache heraus, für die Adolf Ignaz Mautner bis heute in Erinnerung geblieben ist. Unter seinen Mitarbeitern war ein junger Mann aus Westfalen namens Julius Reininghaus, der 1856 Mautners dritte Tochter Emilie Susanna heiratete. Und weil Julius einen Bruder namens Johann Peter hatte, der Mautners ältester Tochter Theresia den Hof machte, hatte Mautner bald zwei Schwiegersöhne mit Namen Reininghaus.

Johann Peter war in Graz als Brauer aktiv, und so tüftelten die drei Männer bald gemeinsam. Nach langen Versuchen gelang es ihnen, 1859 ein industriell nutzbares Verfahren für Presshefe zu entwickeln. Zur Belohnung gab es nicht nur einen von der Wiener Bäckerinnung ausgesetzten Preis, sondern ab der Markteinführung unglaubliche Gewinne.

Mit der neuartigen Presshefe, die bis heute im Handel ist, verdienten die Männer fast mehr Geld als mit ihren Brauereien. Geld, das Mautner nutzte, um seine Brauerei weiter auszubauen und ständig neue Immobilien hinzuzukaufen.

Bei aller Genialität haben sich spätere Biografen stets die Frage gestellt, wie der Aufstieg dieses einfachen, böhmischen Juden zu einem der wohlhabendsten und geachtetsten Unternehmer der k.u.k.-Monarchie zu erklären war. Er hatte zeitlebens nie eine Hochschule oder sonst eine weiterführende Schule besucht. Ihm war eine besondere Genialität in die Wiege gelegt worden, die ihm diese Erfolge ermöglichte. So sehr er sich von seinem großen Konkurrenten Anton Dreher unterschied, beide hatten doch in einem technikfeindlichen, konservativen Umfeld Großes geleistet und unglaublichen Erfolg gehabt.

Auf den Erfolg folgten Ehrungen

Derartige Erfolge ziehen zwangsläufig Ehrungen und Anerkennung nach sich. In diesem Falle ganz besonders, war Adolf Ignaz Mautner auch sozial erheblich freigiebiger als seine Konkurrenten der Dreher-Familie (mittlerweile Anton Junior). Seit dem Revolutionsjahr 1848, als es ihm gelungen war, seine Arbeiter aus den Plünderungen und Aufständen herauszuhalten, stand er bei Kaiser Franz Josef in hohem Ansehen. Mautners Männer hatten sich sogar den Revolutionären entgegengestellt und Bürgermeister Czapkas Haus verteidigt. Später unterstützte Mautner Spitäler, Kirchen und wohltätige Einrichtungen, so dass größere Ehrungen nur eine Frage der Zeit waren.

1867 erhielt er vom Kaiser das Ritterkreuz des Franz-Josefs-Ordens und fünf Jahre später, für seine „industriellen und humanitären Verdienste“, den Orden der Eisernen Krone III. Klasse.

Nun hatte Adolf Ignaz Mautner das Recht auf die Erhebung in den Adelsstand. Er erbat für sich und seine Nachkommen daher den Namenszusatz „Ritter von Markhof“ und ein Familienwappen. Der „Markhof“ war abgeleitet von Markus, dem Schutzheiligen von St. Marx. Beidem wurde stattgegeben. Und im Wappen der Familie von Adolf Ignaz Mautner Ritter von Markhof fanden sich auch Anklänge auf seine böhmische Heimat, die er nie vergessen hatte. 1881 wurde Adolf Ignaz Mautner zum Ehrenbürger Wiens ernannt, zudem erhielt er noch die „Große Goldene Salvator Medaille“.

Ruhestätte der Familie Mautner auf dem Zentralfriedhof in Wien (Foto: G. Thömmes)

Adolf Ignaz Mautner Ritter von Markhof starb an Heiligabend des Jahres 1889 in Wien im gesegneten Alter von 88 Jahren. Die Wiener bereiteten ihm ein fürstliches Begräbnis, eine so genannte „Schöne Leich‘“. Nach der Feier im Stephansdom ging es in einem Metallsarg auf einem Galawagen, der von acht Rappen gezogen wurde, zur letzten Ruhe in die Familiengruft auf dem Wiener Zentralfriedhof.

Er blieb nicht nur als brillanter Brauereibesitzer und Erfinder der Presshefe in Erinnerung, sondern auch als Philantrop. Er gab von seinem Reichtum reichlich ab, gründete Stiftungen und förderte zahlreiche Projekte mit privaten Mitteln.

Großes Familienerbe und später Triumph

Adolf Ignaz Mautner Ritter von Markhof hatte aber überdies noch das Glück, mit fähigen Nachkommen gesegnet zu sein. Diese bauten das Familiengeschäft in den nächsten Jahrzehnten so aus, dass man die Mautner-Markhofs ohne Zweifel zu den führenden Unternehmerfamilien Österreichs zählen kann.

Seinem Enkel, Viktor Mautner Ritter von Markhof, gelang 1913 mit der Fusion der größten Brauerei (der Schwechater Dreher-Brauerei) mit der drittgrößten (der eigenen) ein echter Coup. Ein später Triumph, der Adolf Ignaz Mautner Ritter von Markhof sicher sehr gefreut hätte. Der Braubetrieb in St. Marx wurde kriegsbedingt 1916 eingestellt.

Die Entscheidung des Ahnherrn, 1846 katholisch zu werden, ersparte seinen Nachkommen ein ähnliches Schicksal wie Ignaz Nacher in Berlin. 1938, nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Österreich, war die Vorgehensweise ähnlich: Große Betriebe jüdischer Besitzer sollten enteignet und „arisiert“ werden. Nach fast 100 Jahren galten die Nachkommen, die nun die Mautner-Markhof-Betriebe besaßen, nach der perversen Ideologie der Nazis „nur noch als Vierteljuden“. Also „zu wenig Jude“, um enteignet zu werden, aber „zu viel Jude“, um als deutscher Unternehmer zu gelten.

Die Familie Mautner-Markhof ist heute weitverzweigt, es gibt eine AG, ein Feinkost-Unternehmen und immer noch das Brauerei-Geschäft.

Die Stadtgemeinde Schwechat bei Wien hat den beiden großen Brauern und Konkurrenten eine schöne Erinnerung gewidmet: Man braucht nur zwei Minuten, um von der Dreherstraße zur Mautner-Markhof-Straße zu gelangen.

Lernen Sie in unserem Dossier: Giganten der Biergeschichte weitere herausragende Persönlichkeiten der Braugeschichte kennen.

Quellen

  1. Borkenhagen, E.: Bedeutende Brauer, VLB Verlag, Berlin, 1959.
  2. Paleczny, A.: Die Wiener Brauherren, Löcker Verlag, Wien, 2014.

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