Bei der Verkostung müssen die aktuellen Sicherheits- und Hygienerichtlinien beachtet werden
10.08.2020

Brussels Beer Challenge 2020: Bierwettbewerb in Zeiten wie diesen

Besondere Herausforderungen | Die Brussels Beer Challenge (BBC) fand 2019 zum achten Mal statt und gehört damit zum Kreis der renommierten und etablierten Bierwettbewerbe weltweit. Die Veranstalter konnten die Zahl der Einreichungen im Laufe der Jahre kontinuierlich steigern und vermeldeten 2019 über 1650 Biere, die von Brauereien aus 35 verschiedenen Ländern nach Bel­gien zur Verkostung geschickt wurden. BRAUWELT-Autorin Sandra Ganzenmüller, kommunikation.pur, hat mit Veranstalter Luc De Raedemaeker über den diesjährigen Wettbewerb gesprochen.

Vom 1. bis 3. November 2019 hat im wallonischen Mons eine Fachjury aus 95 internationalen Bierexperten getagt. Sie haben an drei Tagen in 15 verschiedenen Teams das Qualitätsniveau der Einreichungen sensorisch bewertet und die begehrten Medaillen und Auszeichnungen vergeben. Insgesamt 280 Medaillen und besondere Auszeichnungen (Certificate of Excellence) hat die Jury im vergangenen Jahr verteilt, und trotz einer geringeren Beteiligung als im vorangegangenen Jahr haben deutsche Brauereien 2019 über fünf Prozent der Medaillen nach Deutschland geholt.

So stellt sich die Erfolgsgeschichte eines Bierwettbewerbs dar, der sich in der Bierwelt über die Jahre einen Namen gemacht hat. Wie wird sich der Wettbewerb in diesem Jahr gestalten? Ein Jahr, in dem alles Bisherige auf den Kopf gestellt wurde, Konzepte neu überdacht und aufgesetzt werden müssen, um der aktuellen Lage Tribut zu zollen. Im Gespräch mit Luc De Raedemaeker werfen wir einen Blick in die nahe Zukunft, besprechen die Justierungen, die für einen solchen Event unter den neuen Auflagen notwendig sind, und zeigen die Chancen für deutsche Brauereien auf, die ihnen in Zeiten wie diesen eine Teilnahme an der BBC bietet.

Uns alle hat die aktuelle Situation vor neue, noch nie dagewesene Herausforderungen gestellt. Was bedeutet die Corona-Krise für einen Bierwettbewerb wie die BBC?

Luc De Raedemaeker: Die Planung eines Bierwettbewerbs auf internationalem Niveau ist in diesem Jahr in der Tat eine spannende Herausforderung, die uns als Veranstalter sehr viel Flexibilität und konzeptionellen Ideenreichtum abverlangt. Die Situation ist nicht plan- und berechenbar. Eine Von-Tag-zu-Tag-Mentalität beherrscht das private wie berufliche Leben und bedeutet für uns als Organisatoren eines solchen Events, dass die Planungen wöchentlich, ja manchmal täglich, unter neuen Rahmenbedingungen betrachtet und angepasst werden müssen. Was heute noch gesetzt und Planungsgrundlage ist, kann morgen durch die Veränderungen des aktuellen Geschehens und die neuen Anweisungen von Behörden eine völlig andere sein.

Im Gespräch mit Veranstalter Luc De Raedemaeker (Fotos: Brussels Beer Challenge/Bart Van der Perre)

Bei einem Bierwettbewerb wie der BBC, die international von Bedeutung ist, muss unser Blick stets über die Landesgrenzen hinaus gehen. Die Judges reisen normalerweise aus vielen Ländern der Welt an, und die Brauereien, die ihre Bierspezialitäten anmelden, sind auf der ganzen Welt beheimatet. Aspekte, die die Positionierung, den Erfolg und die Attraktivität unserer Veranstaltung bisher ausmachten, stellen uns nun vor komplexe Herausforderungen.

Wir haben als Team Plan A, B, C und sogar D unter Berücksichtigung aller möglichen Szenarien ausgearbeitet und sind damit gut aufgestellt. Durch unsere umfassende, konzeptionelle Vorarbeit fühlen wir uns in einem unsicheren Umfeld jedoch gut gerüstet und können den Brauereien, die Biere einsenden, eine Planungssicherheit gewährleisten. Der Bierwettbewerb wird stattfinden, und es werden Medaillen verteilt werden. Bei all unseren Überlegungen stehen die Sicherheit der Judges und die konkrete Umsetzung und der wertgebende Output für die Brauereien an erster Stelle.

Alles neu, alles auf Anfang – ist das das Motto der diesjährigen BBC oder bauen Sie auf den Erfahrungen der vergangenen Jahre auf und haben den Event in der aktuellen Situation nur justiert?

De Raedemaeker: Nein, ein ‚Nur-Justieren‘ wäre der aktuellen Situation nicht gerecht geworden. Wir haben konzeptionell neu gedacht. Unser Plan A sieht ein Event mit Rahmenprogramm vor, das in vielen Eckdaten an die bisherige BBC erinnert, aber natürlich ein Sicherheits- und Hygienekonzept beinhaltet, um die Sicherheit für unsere Judges zu gewährleisten. Es wird weniger Judges pro Tisch geben, die Abstandsregeln müssen beachtet werden und die Verkostungsabläufe berücksichtigen das Social Distancing perfekt. Wir haben mit einem Worst-Case-Szenario alle Möglichkeiten durchgespielt bis zu Plan D. Die Stellschrauben, an denen wir drehen können und auch müssen, sind der Ablauf, die Location, das Rahmenprogramm und die Zusammensetzung der Jury. Es ist uns gelungen, am Veranstaltungsort die perfekte Location mit unheimlich viel Platz zu finden, in der wir Plan A bis D realisieren können, also statt wie bisher sechs Judges am Tisch lediglich vier Judges zu platzieren bis hin zur Option, dass ein Judge am Tisch eine Verkostung für sich ohne Austausch mit Kollegen durchführt.

 

Terminplan Brussels Beer Challenge 2020

seit 1. Juli 2020
Anmeldung der Biere durch Brauereien (Frühbucherrabatt)

ab 9. September 2020
Anmeldung der Biere durch Brauereien (ohne Rabatt)

9. Oktober 2020
Einsendeschluss der Proben

30. Oktober - 1. November 2020
Verkostung durch 80-köpfige internationale Expertenjury, Hasselt/Provinz Limbourg

23. November 2020
Offizielle Bekanntgabe der Gewinner, Horeca Expo, Gent

 

Es gibt auch skurrile Details in der ganzen Geschichte. Natürlich steht die Hygiene an erster Stelle – das bedeutet, dass man sich nicht nur die Hände waschen, sondern sie auch desinfizieren muss, um das Risiko für alle bestmöglich zu minimieren. Aber wir sprechen hier von einer Veranstaltung, bei der erfahrene Verkoster mit ihrer Nase und dem Gaumen Nuancen von Fehlaromen in Bieren erkennen müssen, um Medaillen vergeben zu können. Wie soll das funktionieren, wenn man am Tisch lediglich den Geruch von Desinfektionsmitteln in der Nase hat? Daher bin ich derzeit auf der Suche nach Mitteln, die funktionieren und die Sicherheit der Judges garantieren, aber eben nicht zu einer sensorischen Beeinträchtigung bei der Verkostung führen. Eine sehr spannende und herausfordernde Aufgabe.

Wird es Änderungen im Verkostungsablauf in diesem Jahr geben?

De Raedemaeker: Ja, natürlich. Neben der Reduzierung der Anzahl von Judges pro Tisch bis zu einem standardisierten Reporting, das wir auch ohne die Corona-Pandemie für dieses Jahr geplant hatten. Wir haben den Verkostungsbewertungsbogen überarbeitet und auf standardisierbare Antworten umgestellt. Die Judges kreuzen in Zukunft vorgefertigte Antworten in den einzelnen Kategorien an, müssen sich also für Optionen entscheiden und nicht mehr viel subjektiven Schreibkram erledigen. Damit haben die Brauereien als Feedback in Zukunft bessere Vergleichsgrößen über die Jahre, aber dennoch gibt es pro Probe ein Feld, in dem der Judge seine Eindrücke und Bemerkungen an die Brauerei notieren kann. Das bedeutet zum einen eine Zeitersparnis bei der Verkostung und Auswertung, reduziert zum anderen die Fehlerquote und liefert den Brauereien vergleichbare Ergebnisse. Das stand auf unserer Agenda und spielt uns nun bei der aktuellen Situation positiv in die Hände.

Wie wird sich die Jury in diesem Jahr zusammensetzen, da zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar ist, wie sich die Möglichkeiten zu reisen später im Jahr darstellen werden?

De Raedemaeker: Eine spannende Frage, die ich abschließend vermutlich erst kurz vor der Veranstaltung beantworten kann, da wir alle nicht wissen, wie sich die Situation auf den Kontinenten und den jeweiligen Ländern entwickeln wird. Wir gehen in zwei Einladungswellen vor und haben sehr viel positive Rückmeldung und Verständnis unserer Judges-Community bekommen. Alle verstehen unsere Vorgehensweise und sichern uns ihre Unterstützung zu, wenn es ihnen denn möglich ist, zu reisen. Natürlich ist die Lage schwierig, aber diese großartigen Rückmeldungen zeigen, dass wir über die vergangenen Jahre ein stabiles und engagiertes Netzwerk aufgebaut haben, auf das wir nun zählen können.

Wie stellen Sie sicher, dass das hohe Qualitätsniveau der Verkostung unter den neuen Rahmenbedingungen auch in diesem Jahr garantiert wird und die Brauereien ein substanzielles Feedback zu den eingereichten Bieren wie gewohnt erwarten können?

De Raedemaeker: Wir setzen auf die langjährigen Judges, die die jungen und noch nicht ganz so sehr erfahrenden Judges bei der Verkostung an die Hand nehmen werden. Wir haben eine umfassende Verkostungs-Guideline ausgearbeitet, die für unsere langjährigen Table Captains eine Selbstverständlichkeit darstellt, aber für Newcomer eine hilfreiche Richtlinie für den Event sein wird. Je nachdem, welcher Plan zum Tragen kommen wird, werden die erfahrenen Experten die Newcomer in die Aufgabe einführen. Trotz der Lage werden wir bei der Zulassung der Judges keine Abstriche in der Vorbildung und Kompetenz machen. Ohne Erfahrung und Vorbildung in der Sensorik und im Bierbereich wird keiner Judge bei der BBC werden.

Für einen professionellen Bierwettbewerb sei eine Online-Veranstaltung keine Option, so Luc De Raedemaeker

Mit welchen Angeboten unterstützen Sie die Brauereien, die seit vielen Jahren ihre Biere beim Wettbewerb einsenden, für ihre langjährige Treue?

De Raedemaeker: Wir haben in allen Ländern ein Mailing versendet und gewähren den Brauereien, die in den letzten Jahren eingesendet haben, einen Rabatt. Damit wollen wir die Solidarität mit unseren Brauereien demonstrieren und sie in der aktuell schwierigen Situation unterstützen. Zudem habe ich in diesem Jahr das Marketingbudget verdoppelt, statt zu reduzieren. Wir setzen auf intensive Social-Media-Kommunikation und Online-Veranstaltungen, um die BBC beim Verbraucher noch bekannter zu machen und damit den Wert einer gewonnenen Medaille für die Brauereien zu steigern.

Welche Szenarien haben Sie und Ihr Team bei der Konzeption der diesjährigen Veranstaltung durchgespielt? Ein Wettbewerb hat als Vorreiter eine komplette virtuelle Verkostung der eingereichten Biere vorgenommen. Wäre das auch eine Option für die Brussels Beer Challenge gewesen? Und warum haben Sie sich dagegen und für eine Präsenzveranstaltung entschieden?

De Raedemaeker: Aktuell steht die Welt auf dem Kopf und ganz neue Möglichkeiten entstehen, wir werden aus unseren bisherigen Denkmustern herausgerissen, was gut ist und neuen Möglichkeiten Raum bietet. Ich finde Online-Verkostungen mit Verbrauchern eine großartige Möglichkeit, in Zeiten wie diesen dennoch Bierkultur und die Begeisterung über Bierspezialitäten in die breite Masse zu tragen.

Für einen professionellen Bierwettbewerb, an dessen Ende die Vergabe von Medaillen steht, mit denen die Brauereien Marketing über einen längeren Zeitraum betreiben können, ist eine Online-Veranstaltung für mich keine Option. Ich möchte als Veranstalter die Kontrolle über jedes Glas haben, das verkostet wird, und damit das Qualitätsniveau für die Brauereien mit meinem Wort garantieren. Was nicht bedeutet, dass ich andere Initiativen abwerte. Es ist am Ende die Entscheidung jedes Veranstalters, wie er mit der aktuellen Situation umgeht.

Höher, schneller, weiter, das sind in der Regel das Motto und die Zielsetzung jedes Veranstalters – egal, welcher Event zur Debatte steht. Davon muss man im in diesem Jahr auf jeden Fall abrücken, oder?

De Raedemaeker: Meine Zielsetzung ist die Höhe der Einreichungen von 2019.

Das Interview führte Sandra Ganzenmüller, kommunikation.pur, München.

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