19.10.2020

Diversität als relevanter Erfolgsfaktor

Gender Diversity | Welche Bedeutung hat Diversität für den Erfolg von Unternehmen allgemein und speziell in der Brau- und Getränkebranche? Worauf kann man schon bei Stellenausschrei­bungen achten, um sein Team diverser zusammenzusetzen?

Allgemein versteht man unter Diversität die Unterscheidung und Anerkennung von Gruppen- und individuellen Merkmalen. Häufig wird im allgemeinen Sprachgebrauch der Begriff Vielfalt anstelle von Diversität benutzt. Diversität von Personen wird auf sehr vielen Ebenen betrachtet: Ethnie, Kultur, Herkunft, Nationalität, Hautfarbe, Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Behinderung, Religion, Weltanschauung. Diversität hat also ein sehr breites Spektrum.

Begriffsklärung und Gesetzgebung

Seinen Ursprung hat das Konzept Diversität in der Bürgerrechtsbewegung der USA. Diversität stand zunächst für die Herstellung von Chancengleichheit von Gruppen, die nach bestimmten Merkmalen benachteiligt wurden, damals im Wesentlichen bezogen auf die Hautfarbe. Daraus entstanden in den USA das Antidiskriminierungsgesetz und die Affirmative Action zur Förderung benachteiligter Gruppen nach den Kriterien Rasse, Geschlecht, Hautfarbe, ethnische Herkunft, Alter, Behinderung oder Religion. Seit dem Ende der 1990er-Jahre wird dieses Konzept auch von der Europäischen Union als Leitbild verwendet.

Relevanten Einzug in die Berufswelt hat das Konzept Diversität im Jahr 2006 genommen, seit in der deutschen Gesetzgebung die Aspekte der Vielfalt im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verankert sind. Das AGG soll Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern und beseitigen. Den durch das Gesetz geschützten Personen stehen damit auch Rechtsansprüche gegen (potenzielle) Arbeitgeber zu, wenn gegen diese Rechte verstoßen wird.

Diversity Management

Das Management von Diversität (Diversity Management) ist heute fester Bestandteil des Personalwesens. Damit soll nicht nur die konstruktive Nutzung der in einem Unternehmen vorfindbaren personellen und sozialen Vielfalt in den Vordergrund gestellt werden, sondern dazu ermutigt werden, diese Vielfalt gezielt herzustellen. Diversity Management toleriert daher nicht nur die individuelle Verschiedenheit von Mitarbeitern, sondern hebt diese im Sinne einer positiven Wertschätzung besonders hervor und macht diese für den Unternehmenserfolg nutzbar. Beweise des positiven Einflusses auf den Unternehmenserfolg liegen inzwischen durch viele Untersuchungen vor.

In der Berufswelt steht bei Diversität nach wie vor das Thema Geschlecht stark im Blickfeld und Mittelpunkt (Gender Diversity), daher wird sich dieser Artikel auch darauf konzentrieren. Wobei aufgrund des zur Verfügung stehenden Platzes hier natürlich bei weitem nicht alle Aspekte von Gender Diversity angesprochen und behandelt werden können.

Frauen in der Braubranche

Noch immer ist die Braubranche eine traditionell männerdominierte Branche. Der Anteil der weiblichen Beschäftigten liegt bei unter einem Viertel aller Beschäftigten (wenn auch mit steigender Tendenz) und damit weit unter dem Anteil in der Ernährungsbranche insgesamt. Dabei war gerade das Brauen in früheren Zeiten eine Arbeit, die vornehmlich von Frauen verrichtet wurde. Im Mittelalter war das Brauen quasi reine Frauensache, es gehörte zu den Haupttätigkeiten jeder Hausfrau.

Heute dagegen finden wir gerade in den Brauberufen nur einen sehr geringen Anteil von Frauen. Und auch wenn der Anteil leicht steigend ist, wird sich daran in den nächsten Jahren wohl nicht sehr viel ändern. Denn auch in den Studiengängen überwiegt nach wie vor klar der männliche Anteil an Studenten mit etwa 80 Prozent.

Dabei würde der Bierbranche ein höherer Frauenanteil – nicht nur, aber auch im Bereich Produktion – durchaus gut tun.

Selbst-Überschätzung und Selbst-Unterschätzung

Sehr spannend ist, dass „wir Männer“ zu einem deutlich höheren Anteil auf Führungspositionen landen und dort dann irgendwann feststellen müssen (oder der Arbeitgeber tut es…), dass wir für diese Position keine ausreichende Kompetenz oder Eignung mitbringen. In einer Studie konnte nachgewiesen werden, dass Männer deutlich häufiger eine überzogene Vorstellung von ihren eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen haben als Frauen.

Dieses Phänomen ist auch als Dunning-Kruger-Effekt bekannt, benannt nach den beiden Psychologen David Dunning und Justin Kruger von der Cornell University. Männer haben eine Tendenz, sich zu überschätzen, Frauen leider eine klare Tendenz, sich eher zu unterschätzen.

Andererseits kann man das auch positiv ausdrücken: Frauen schätzen deutlich klarer und realistischer ein, ob sie die Kompetenz für eine bestimmte Position mitbringen. Etwas extrem ausgedrückt habe ich damit als Arbeitgeber bei einem weiblichen Kandidaten im Grunde sogar eine höhere Sicherheit, dass ich die Position kompetent besetze als bei einem Mann.

Studien haben gezeigt, dass eine ausgeglichene Diversität einen großen Einfluss auf den Erfolg von Unternehmen hat und zum Beispiel Entscheidungsfindungen positiv beeinflusst. Frauen gelten als weniger risikofreudig und wägen Pro und Contra von mit Risiken verbundenen Entscheidungen mehr ab. Wenn sie solche Entscheidungen treffen, treffen sie gleichermaßen mehr Vorkehrungen, um die damit verbundenen Risiken abzumildern. Divers besetzte Entscheidungsgremien treffen damit ausgewogenere und besser durchdachte Entscheidungen.

Nachgewiesen ist ebenfalls, dass im Durchschnitt Unternehmensanleihen mit einem steigenden Frauenanteil auf Management-Ebene und in relevanten Entscheidungsgremien an Wert gewinnen.

Die Boston Consulting Group hat in einer Studie herausgefunden, dass Unternehmen mit einem überdurchschnittlichen Diversitätsgrad eine deutlich höhere Innovationsrate erreichen als Unternehmen mit einem unterdurchschnittlichen Diversitätsgrad (45 % zu 26 %). Von Frauen gegründete oder mitgegründete Start-ups erzielen einen mehr als doppelt so hohen ROI als ausschließlich von Männern gegründete Start-ups.

Personal-Rekrutierung

Über Fachkräftemangel wird sehr viel gesprochen und darüber, dass Unternehmen ihre freien Position nicht besetzen können. Sicher haben die Auswirkungen der Einschränkungen durch Corona dieses Thema im Moment ein wenig in den Hintergrund gerückt, gerade auch in der Getränke- und Braubranche, die massiv von den Einschränkungen betroffen war und ist. Da musste an vielen Stellen leider eher über Personalabbau statt über Aufbau nachgedacht werden. Und ohne Zweifel wird es noch einige Zeit dauern, bis für viele wieder der frühere Stand erreicht ist, und leider wird es auch einige geben, die diesen nicht wieder erreichen werden oder ihr Unternehmen ganz aufgeben müssen. Wenn wir aber optimistisch in die Zukunft blicken, wird die Corona-Krise irgendwann vorbei sein und dann brauchen und suchen die Unternehmen wieder Fachkräfte.

So unterschiedlich können die Stellenausschreibungen für die gleiche Stelle aussehen, wenn man sie klassisch (oben) oder geschlechterneutral (unten) formuliert

Noch zu Beginn des Jahres und vor der Corona-Krise haben mehr als 50 Prozent aller Unternehmen einen massiven Mangel an Fachkräften beklagt. Selbst wenn dieser Anteil im Moment und für einen gewissen Zeitraum kleiner sein sollte, ist er immer noch sehr hoch.

Werfen wir mal einen Blick auf den Bereich IT, der ja auch in der Braubranche zunehmend an Bedeutung gewinnt. In diesem Bereich waren letztes Jahr in der gesamten deutschen Wirtschaft nahezu 100 000 offene Stellen nicht besetzt, weil nicht ausreichend Fachkräfte am Markt vorhanden waren. Und diese Situation haben wir in fast allen Unternehmensbereichen.

Somit muss ich als Unternehmen Maßnahmen ergreifen, um möglichst viele Kandidaten anzusprechen und mein Unternehmen attraktiv zu machen. Also sollte ich zum Beispiel auch darauf achten, dass meine Kommunikation insbesondere auch weibliche Kandidaten anspricht und dass ich mein Unternehmen für weibliche Kandidaten attraktiv mache. Frauen sind übrigens deutlich wählerischer, wenn es um die Wahl des künftigen Arbeitgebers geht.

Employer Branding

Employer Branding ist natürlich ein weit gefasstes Thema und umfasst viele Facetten, lassen Sie uns hier mal auf einen Bereich eingehen.

Auch die Website eines Unternehmens ist ein Teil von Employer Branding. Fairerweise muss man sagen, dass hier viele Unternehmen in den letzten Jahren viel getan haben, um bei diesem Thema für weibliche Kandidaten (und natürlich auch Verbraucher) attraktiv zu sein. Es gibt aber immer auch noch sehr viele, die auf diesen Zug noch nicht aufgesprungen sind und deren Websites noch sehr maskulin gestaltet sind. Dabei kann sich jeder vorstellen, was passiert, wenn eine interessante weibliche Kandidatin die Website einer Brauerei besucht und dort durchgehend männliche Mitarbeiter und Ansprechpartner abgebildet sind. Die Chance, dass sie sich auf eine freie Position bewirbt, steigt nicht gerade. Alleine mit Fotos ist es aber noch lange nicht getan. Was vielen gar nicht bewusst ist – auch Wortwahl, Formulierungen und Aufbau des Textes spielen eine enorme Rolle. Hierauf gehe ich beim nächsten Punkt etwas detaillierter ein.

Positionsprofile und Stellen­ausschreibungen

Sehr häufig ist Unternehmen noch nicht bewusst, dass man durch eine gezielte Gestaltung und Formulierung von Stellenausschreibungen die Attraktivität für und die Bewerbungsintention von weibliche(n) Kandidaten deutlich erhöhen kann. Oder umgekehrt ausgedrückt: Sind meine Positionsprofile und Stellenausschreibungen zu „maskulin“ formuliert, schrecke ich weibliche Kandidaten geradezu davon ab, sich zu bewerben. Und damit ist nicht gemeint, dass man der Einfachheit halber in den Formulierungen immer die männliche Form mit „der Kandidat“ benutzt. Das ist gelernt und Standard.

Es gibt allerdings einige entscheidende Unterschiede bei weiblichen und männlichen Kandidaten, die man wissen sollte. So fixieren Frauen deutlich länger die einzelnen Elemente einer Stellenausschreibung und interessieren sich weniger für das Unternehmensprofil, sondern mehr für die Unternehmenskultur. Weibliche Kandidaten haben einen deutlich stärkeren Fokus auf Soft Facts als auf Hard Facts, neigen zum seriellen Lesen von Informationen und dazu, jede in einer Stellenausschreibung formulierte Anforderung als unerlässlich einzustufen.

Bei weiblichen Kandidaten besteht eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit, dass sie sich nicht bewerben, wenn sie von acht oder zehn genannten Anforderungen eine oder zwei nicht oder nicht voll erfüllen. Zu Beginn des Artikels ging es bereits darum, dass Männer eine deutlich stärkere Überzeugung von ihrer Kompetenz haben, und es ist nachgewiesen, dass Frauen sich bei gleicher Qualifikation weniger zutrauen als Männer.

Wenn man dies alles weiß, liegt es auf der Hand, dass die Formulierung und Ausgestaltung der Stellenbeschreibung einen deutlichen Einfluss auf die Bewerbungsintention und damit die Anzahl von Bewerbungen von weiblichen Kandidaten hat. In Untersuchungen konnte klar aufgezeigt werden, dass es für die Bewerbungsintensität von männlichen Kandidaten keinen großen Unterschied macht, ob die Stellenbeschreibung maskulin, feminin oder neutral formuliert ist. Die Bewerbungsintensität von Männern erzielt sogar bei femininen Stellenbeschreibungen mit einem leichten Abstand ihren höchsten Wert. Bei weiblichen Kandidaten dagegen gibt es signifikante Unterschiede. Hier wird die höchste Bewerbungsintensität mit neutralen Stellenbeschreibungen erzielt, direkt gefolgt von femininen. Bei maskulinen Formulierungen war die Bewerbungsintensität deutlich niedriger.

Nun kommt natürlich bei vielen die berechtigte Frage auf: „Wann ist denn eine Stellenbeschreibung neutral, maskulin oder feminin. Wie kann ich das denn steuern?“

Lassen Sie mich dazu auf zwei Punkte eingehen. Entscheidend sind zum Beispiel Begriffe und Formulierungen, die Sie benutzen. Es gibt sogenannte maskuline und feminine „Gender Codes“, also Worte und Begriffe, die eher männlich oder eher weiblich sind und die eher männliche oder eher weibliche Kandidaten ansprechen – oder eben beide gleichermaßen.

Um einige Beispiele zu nennen: Begriffe wie führend, hartnäckig, herausfordernd gehören zu den maskulinen Codes; Begriffe wie loyal, kooperativ, unterstützend zu den femininen. Das sind aber nur einige wenige von sehr vielen Beispielen, die auf wissenschaftlich fundierter Basis ermittelt wurden. Daher sollte jeder Mitarbeiter, der für die Ausschreibung von offenen Positionen verantwortlich zeichnet, eine vollständige Liste mit diesen Begriffen zur Verfügung haben und sich daran orientieren.

Ein weiteres Beispiel ist der Stil der Stellenausschreibung. Häufig wird in Stellenbeschreibungen mit Bullet Points gearbeitet, also im Aufzählungsstil. Das ist auch zugegebenermaßen einfacher und wirkt übersichtlicher. In Bezug auf die Attraktivität der Position für Frauen kann das aber einen entscheidenden negativen Einfluss haben!

Nehmen wir den vorhin erwähnten Punkt, dass die Bewerbungswahrscheinlichkeit bei weiblichen Kandidaten deutlich sinkt, wenn sie von acht oder zehn genannten Anforderungen eine oder zwei nicht oder nicht voll erfüllen. Wenn Sie diese Anforderungen in Bullet Points packen, wird das direkt erkennbar. Formulieren Sie diese Anforderungen dagegen im Text-Stil, wird das ganze deutlich „weicher“ und fällt nicht direkt ins Auge (siehe Beispiel).

Das ist jetzt natürlich alles etwas grob und vereinfacht dargestellt. Um dies erfolgreich umsetzen zu können, muss man sich natürlich intensiver mit diesen und weiteren relevanten Themen auseinander setzen.

Übrigens gibt es inzwischen auch Software, mit denen man Stellenbeschreibungen scannen kann und dann Vorschläge erhält, wie man diese besser – also femininer oder neutraler – formulieren kann.

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